Traditionell ist der Schelmenroman eine (fingierte) Autobiographie. Sie beginnt oft mit einer Desillusionierung des Helden, der die Schlechtigkeit der Welt erst hier erkennt. Er begibt sich, sei es freiwillig, sei es unfreiwillig, auf Reisen. Die dabei erlebten Abenteuer sind episodenhaft, d. h. sie hängen nicht voneinander ab und können beliebig erweitert werden, was bei Übersetzungen oft der Fall war. Das Ende ist meist eine „Bekehrung“ des Schelms, nach der er zu einem geregelten Leben findet. Es besteht auch die Möglichkeit einer Flucht aus der Welt, also aus der Realität.
In Spanien gibt es die Schelmenromane seit dem 16. Jahrhundert.
Der wichtigste nicht-spanische Schelmenroman ist Der abenteuerliche Simplicissimus (1668) von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, welcher zugleich als erster deutschsprachiger Abenteuerroman gilt. Bekannte Schelmenromane sind:
- Gottfried Kellers Kleider machen Leute (1874),
- Mark Twains Die Abenteuer von Huckleberry Finn (1884)
- Jaroslav Hašek: Der brave Soldat Schwejk (1920/1923)
- Giovanni Guareschi: Don Camillo und Peppone (1948)
- Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (1954)
- Günter Grass: Die Blechtrommel (1959)
- Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns (1963)
- Winston Groom: Forrest Gump (1986)
- Jonas Jonasson: Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand (2011)
Das erste, das einem bei Schädelweh am Wallersee auffällt, ist der Begriff Schelmenroman.
Wie wir aus allen Medienbereichen, sei es Buch, Film oder Musik, sehen können, muss ein Produkt einer ganz genauen Kategorie eingeordnet werden, um es zielgerichtet vermarkten zu können. Nun ist dieses Buch im weitesten Sinn ein Krimi, folgt aber nicht den hunderttausendfach abgelutschten Herstellungsregeln dieses Genres und würde daher viele eingefleischte Krimileser enttäuschen. Daher wollte ich die Erwartungen des Lesers an einen Krimi[1] etwas relativieren.
Was ist nun ein Schelmenroman und inwieweit ist das Buch ein solcher?
Na ja, ein reinrassiger Schelmenroman ist er natürlich auch nicht. Aber was ist heute schon reinrassig? Ein Schelmenroman im eigentlichen Sinn schildert aus der Perspektive seines Helden, wie sich dieser in einer Reihe von Abenteuern durchs Leben schlägt. Der Schelm stammt aus den unteren gesellschaftlichen Schichten, ist deshalb ungebildet, aber „bauernschlau“. Er durchläuft alle gesellschaftlichen Schichten und wird zu deren Spiegel. Der Held hat keinen Einfluss auf die Geschehnisse um ihn herum, schafft es aber immer wieder, sich aus allen brenzligen Situationen zu retten.
Also mein Roman hat nicht nur einen Schelm als Protagonisten, sondern zwei. Einem davon fällt in seinem Heimatort am Wallersee die Decke auf den Schädel und er bekommt, wie der Titel schon sagt, Schädelweh. In dieser Situation trifft auf einen kongenialen Partner, mit dem er von einem Abenteuer ins andere schlittert. Die beiden sind pensionierte Beamte, wirken manchmal etwas naiv, sind aber schlaue, clevere Männer, die die Sozialisierung eines typischen österreichischen Beamten erfahren haben.
Nun könnten wir noch einmal auf die Merkmale eines Schelmenromans zurückkommen. Da ist vom Spiegel der Gesellschaft zu lesen. Hält dieser Roman der Gesellschaft einen Spiegel vor?
Durchaus. Er behandelt die typischen Gesellschaftsphänomene, die Österreich momentan so lähmen:
- Geldwirtschaft
- Tourismuswahn
- Korruption
- Freunderlwirtschaft und Gefälligkeiten
- Missmanagement und Selbstbedienung im öffentlichen Dienst
- Alkohol als verharmloste österreichische Droge
Traditionell endet der Schelmenroman mit einer „Bekehrung“ des Schelms, nach der er zu einem geregelten Leben findet. Ist das in Schädelweh am Wallersee auch so?
Also von einer richtigen Bekehrung meiner Helden kann nicht die Rede sein, aber für ein geregeltes Leben ist die Basis gelegt.
Jetzt zu den Charakteren, den Schauplätzen und den Abenteuern.
Der Schauplatz an dem die Geschichte beginnt und endet ist der fiktive Ort Hackling am Wallersee, in dem die meisten Leute wie die Wilden „hackeln“ und damit jeden „unproduktiv“ scheinenden Menschen wie einen Pensionisten automatisch zum Außenseiter machen. In diesem Ort spielt sich so gut wie nichts unbemerkt ab. Das Ortszentrum wird hermetisch überwacht. Von einem Fenster beobachtet Frau Spechtler alles, was sich vor dem Verkehrsbüro vor dem Cafe Därrisch und vor der Insel der Redseligen abspielt. Was sie nicht sehen kann, deckt die Webcam ab, die am Gemeindeamt montiert ist. Und schließlich gibt es noch den haxendaligen Helmut Kopter, der über sein offenes Dachfenster jedes Motorengeräusch einem Flugzeug oder einem Fahrzeug inklusive Besitzer zuordnen kann.
Weitere Schauplätze sind St. Tropez und Wien. Wie das?
Das treibende Moment für die zwei Protagonisten ist die Rache an einem russischen Betrüger. Dieser hat eine russische Witwe, mit der der Protagonist Sepp Biber eine Fern- oder wie sein Freund Edgar es nennt, eine Faxbeziehung führt, in Millionenhöhe geschädigt. Und die Spur nach dem Betrüger führt nach Wien.
Warum kommen die beiden Helden, Schelme dann nach St. Tropez. Ausschlaggebend dafür ist die Eröffnung eines Nummernkontos in Luxemburg.
Luxemburg ist aber nicht St. Tropez. Und Nummernkonten kann man dort auch nicht eröffnen.
Genau. Aber wie es der Zufall so will, erblicken die Helden am Flughafen einen flüchtigen österreichischen Anwalt, auf den eine Belohnung ausgesetzt ist. Der lasst sich in St. Tropez unmittelbar neben der einstigen Filmikone Brigitte Bardot häuslich nieder. Dazu kann ich nur sagen, dass die Protagonisten zur Festnahme des Gesuchten federführend beitragen.
Aber jetzt zu Wien. Dort wird von den Männern des Westens ordentlich aufgeräumt. Nicht nur der Betrüger der russischen Witwe, sondern ein ganzes Geflecht von organisierter Kriminalität wird dort in seinen Grundfesten erschüttert.
Aber leider wachsen Geschwüre meist nach und tauchen dann überall auf. In diesem Fall am Wallersee. Dort kommt es an einem Faschingsdienstag zum Showdown, bei dem die Protagonisten vom ganzen Ort Hackling handfeste Unterstützung erfahren.
Das klingt nach Happy End?
Wenn es so klingt, dann habe ich eigentlich schon zu viel verraten.
[1] Damit ein Krimi funktioniert, muss man sich an viele ungeschriebene
Gesetze halten. Ein gelungener Spannungsbogen, glaubwürdige Figuren
und falsche Fährten sind nur ein Teil des komplizierten Gerüstes.